Schwingungen und Getriebespiel Goodbye

 Jürgen Wagenbach ist Leiter Kundensupport Motion Control bei  Maxon Motor in der Schweiz.
Jürgen Wagenbach ist Leiter Kundensupport Motion Control bei Maxon Motor in der Schweiz.Bild: Maxon

Die elektrisch angetriebene Bewegung von Lasten erfolgt meist mit einem System, welches die Positions- und Geschwindigkeitsinformation für die Regelung mit einem Encoder auf der Motorwelle ermittelt. Eine hohe Auflösung des Encoders und die präzise Erfassung der Motorwellenreaktion sind eine Voraussetzung für die dynamische Positionsregelung. Aus Anwendungssicht ist letztendlich aber die Präzision der abgangsseitigen Lastbewegung das Kriterium, welches sich auf die Qualität und Maßhaltigkeit produzierter Güter auswirkt. Einen negativen Einfluss können dabei Getriebe, Spindeln und Antriebsriemen haben. Das Getriebespiel kann je nach Bewegungsrichtung zu einer abgangsseitig unterschiedlichen Lastposition führen und Elastizitäten können Verzögerungen und Schwingungen beim Bewegungsstart oder -stopp verursachen. Der erste Lösungsgedanke: den Encoder auf der Abgangswelle anstatt auf der Motorwelle montieren. Doch das führt nicht zum Erfolg, sondern zu einem noch schlechteren Systemverhalten.

Im Falle einer spielbehafteten oder elastischen Mechanik muss für eine dynamische, präzise Lastpositionierung ein Systemansatz mit der Regelung auf Basis von zwei Gebersystemen gewählt werden:

  • Ein Drehgeber, der als ‚Auxiliary-Encoder‘ bezeichnet wird, ist steif mit der Motorwelle verbunden. Dieser sollte bereits Bestandteil der Motorkombination sein.
  • Ein weiterer Geber, der als ‚Main-Encoder‘ bezeichnet wird, ist abgangsseitig bei der bewegten Last angekoppelt.

Für die Signalverarbeitung dieser beiden Gebersysteme ist eine sogenannte ‚Dual-Loop‘-Regelung notwendig. Die Positioniersteuerungen Epos4 von Maxon erweitern eine solche Dual-Loop-Regelung mit einem Filter zweiter Ordnung und einem ‚Gain Scheduler‘, um mechanischen Resonanzen und dem Getriebespiel entgegenzuwirken. Die Inbetriebnahme-Software ‚Epos Studio‘ bietet als Hilfsmittel eine automatische Parameterermittlung (Regulation Tuning) der komplexen Reglerstruktur sowie die Aufzeichnung der Übertragungsfunktion des Antriebs.

Bild: maxon motor gmbh

Reglerarchitektur der Positioniersteuerung

Die Epos4 verwendet für die Dual-Loop-Regelung eine kaskadierte Reglerstruktur (siehe Abbildung 1):

  • Der innerste Regelkreis ist eine feldorientierte (FOC) Motorstromregelung basierend auf der Motorstrommessung als Feedbacksignal.
  • Der zweite innere Regelkreis (Auxiliary Control) regelt die Motordrehzahl basierend auf dem Encoder an der Motorwelle.
  • Der äußere Regelkreis (Main Control) regelt die Lastposition basierend auf dem lastseitigen Gebersystem.

Eine detailliertere Ansicht der Epos4-Dual-Loop-Reglerstruktur ist Abbildung 2 zu entnehmen.

 Die Positioniersteuerung Epos4 50/5 von Maxon.
Die Positioniersteuerung Epos4 50/5 von Maxon.Bild: Maxon

Hauptregelkreis

Der Hauptregelkreis besteht aus einem proportionalen (P) Regler, einem ‚Gain Scheduler‘ und einem Filter zweiter Ordnung (Main Loop Filter). Von einem Bahnplaner werden die Soll-Position der Last sowie deren Soll-Geschwindigkeit und Soll-Beschleunigung als Eingangsgrösse für den Hauptregelkreis vorgegeben. Als weitere Eingangsgrösse misst der Encoder an der Last deren aktuelle Ist-Position.

  • Gain Scheduler

Der ‚Gain Scheduler‘ dient bei der Epos4-Dual-Loop-Regelung zur Eliminierung von negativen Effekten durch das Getriebespiel. Er passt dazu die P-Verstärkung des Hauptregelkreises automatisch an. Falls der Schleppfehler, das heißt die Abweichung zwischen lastseitiger Soll- und Ist-Position, groß ist, wird eine hohe P-Verstärkung verwendet, die zu einer schnellen Reduzierung des Fehlers führt. Bei zunehmend kleinerem Schleppfehler wird auch die P-Verstärkung zurückgenommen, damit trotz Getriebespiel im Antrieb keine Schwingungen auftreten.

  • Hauptregelkreisfilter (Main Loop Filter)

Falls zwischen Motor und Last durch Kupplungen, Riemen oder lange Spindeln eine gewisse Elastizität vorhanden ist, könnten bei auftretenden Resonanzfrequenzen sich verstärkende Schwingungen bis zur Instabilität der Regelung auftreten. Um dies zu vermeiden, verwendet die Epos4-Dual-Loop-Regelung einen sogenannten Kerbfilter (Notch Filter) zweiter Ordnung. Dieser unterdrückt den Resonanzfrequenzbereich im Ausgangssignal des Hauptregelkreises und verhindert damit harmonische Schwingungen im Antriebsstrang.

Bild: maxon motor gmbh

Hilfsregelkreis

Der Hilfsregelkreis besteht aus einem proportional-integralen (PI) Regler mit Vorsteuerung (Feed Forward, FF) und einem Beobachter (Observer), der die Motordrehzahl aus der Positionsinformation des motorseitigen Encoders und der Motorstrommessung abschätzt.

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