Gastkommentar: Trends im Maschinenbau

Nachhaltigkeit ist nicht einfach

Auch in der Industrie zeichnet sich der Trend in Richtung Nachhaltigkeit ab. Der Maschinenbau- und Spindelreparatur-Experte Markus Kern verfolgt die Veränderungen der Branche seit 30 Jahren. In diesem Gastkommentar präsentiert er eine differenzierte Sichtweise auf das Thema Nachhaltigkeit und welche Trends sich für das laufende Jahr abzeichnen.

Wenn von Trends gesprochen wird, dann ist nicht immer absehbar, wen diese überhaupt betreffen. Die Nachhaltigkeit in der Industrie richtet sich indes an alle Abnehmer und Hersteller, darunter auch solche, die mit CNC-gesteuerten Maschinen arbeiten. Beispielhaft sind Schiffs-, Anlagen- und Formenbauer, Lieferanten für die Auto- und die Flugzeugindustrie sowie die Werkzeughersteller genannt. Branchen also, auf die der Trend gravierende Auswirkungen zeigen dürfte – und das inmitten globaler Verwerfungen wie Pandemie und Krieg, die sich für viele Unternehmen ohnehin schon als nur schwer zu bewältigende Herausforderungen präsentiert haben. Doch bereits vor Corona waren viele Betriebe gefordert, den steten Wandel in der Industrie mitzugehen – um nicht den Anschluss an den Markt und die Konkurrenz zu verlieren.

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Was macht die E-Mobilität mit der Industrie?

Beispielsweise gelten Elektroautos und damit E-Motoren als wichtiger Industriezweig der Zukunft und werden politisch unterstützt. Allerdings ist diese neue Form der Mobilität mit Herausforderungen für die Industrie und den Maschinenbau verbunden. Wo der Verbrennungsmotor noch 800 Teile besaß, kommt der elektrische Motor mit lediglich 120 Bauelementen aus. Es werden somit weniger Zeit, Maschinen, Personal und Kosten benötigt, um gleiche oder sogar höhere Produktionszahlen zu erreichen.

Allerdings darf man nicht vergessen, dass damit auch sehr viele Arbeitsplätze wegfallen. Schließlich wird sehr viel weniger Zerspanung benötigt. Bereits im Jahr 2020 sind daher viele Firmen im Maschinenbau und dem Automobilbereich Bankrott gegangen – auch solche, die über 10 Millionen Euro Umsatz gemacht haben. Teilweise hängt das mit höheren Energiekosten zusammen. Diese wiederum sind bedingt durch ambitionierte Klimaziele, die diese Unternehmen teils erreichen wollen und durch die Vorgaben der Politik auch müssen – obwohl diese Ziele oft unrealistisch sind. Zudem müssen Lieferengpässe überwunden und steigende Rohstoffpreise getragen werden. „Der Wandel in Richtung E-Mobilität ist nicht mehr aufzuhalten. Allerdings muss man sich dennoch die Frage stellen, ob dieser Umbruch wirklich sinnvoll ist“, erklärt Markus Kern. Denn obwohl die Nachfrage nach E-Motoren steigt, möchte ein großer Bevölkerungsanteil in Deutschland immer noch Verbrenner fahren.

Doch mit den veränderten Anforderungen zeigt sich auch, dass viele Unternehmen ihre früheren Herstellungsverfahren kaum weiter betreiben können. So müssen neue Maschinen erworben und in den Produktionsprozess integriert werden. Ein Umstand, der den Betrieben enorme Investitionen abverlangt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie es mit den Mitarbeitern weitergeht. Nicht immer wird die volle Belegschaft künftig noch benötigt. Oft können nur die besten Angestellten in der Firma verbleiben und müssen auf die geänderten Bedingungen umgeschult werden. Insgesamt ergibt sich damit ein erheblicher Bedarf, der das Unternehmen Zeit, Aufwand und Geld kostet – und nicht immer ist absehbar, ob sich dieses Risiko letztlich auch wirklich lohnen wird.

Neue Anforderungen an den Umweltschutz

Neben den genannten Veränderungen gilt es für die Betriebe, dem Umweltschutz künftig mehr Beachtung zu widmen. Das wird besonders deutlich, da die Unternehmen ihre Abfälle nicht wie zuvor einfach entsorgen oder an externe Dienstleister abgeben dürfen. Vielmehr sind sie mittlerweile dazu verpflichtet, den gesamten Recyclingprozess in der eigenen Firma durchzuführen – keine leichte Aufgabe. Zu denken ist an Flugzeughersteller wie Boeing, die mit Titan, Aluminium und diversen Schwermetallen im Produktionsverfahren konfrontiert werden. Was als Rest oder als Ausschuss übrig bleibt, muss im Unternehmen recycelt werden. Eine Anforderung, die abermals mit Kosten und Zeit verbunden ist. Die gewünschte Nachhaltigkeit stellt damit Herausforderungen, die für viele Firmen nicht ganz einfach zu bewältigen sind.

Bislang gelang es immer, die wachsenden Investitionen auf den Verkaufspreis für die Produkte umzulegen. Mittlerweile ist das nicht mehr so einfach möglich, da die weltweite Konkurrenz wächst. Herstellungsprozesse finden immer häufiger in China statt, wo die Lohnnebenkosten je Mitarbeiter nicht bei 20 Prozent liegen, wie es in Deutschland der Fall ist, sondern bei null Prozent. Ähnliches gilt für den Steuersatz von 15 Prozent – in Deutschland erreicht er die doppelte Höhe. Hinzu kommt: Viele chinesische Betriebe wurden nach deutschem Vorbild aufgebaut. Die dortige Qualität erreicht mittlerweile ein hohes Maß.

Deutschland als Wirtschaftsstandort

Natürlich stellt sich angesichts solcher Gegebenheiten die Frage, ob sich Deutschland als Wirtschaftsstandort künftig halten kann. Insbesondere, da die Industrie seit Monaten sinkende Produktionszahlen vermeldet. Die Stimmung unter den Automobilzulieferern fällt so pessimistisch aus wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das liegt neben dem Wandel der Branche an den durch Corona und Krieg sinkenden Exportzahlen. Doch so geht es diversen Bereichen der Industrie. Ein Umstand, der längst eine Kettenreaktion ausgelöst hat: Rohstoffe und Kleinstteile können nicht mehr geliefert werden, wodurch sich die Herstellung von Maschinen, Motoren, Autos und Flugzeugen erheblich verlangsamt. Gleichzeitig werden die benötigten Elemente und Materialien teurer. Die Firmen müssen also mehr Geld investieren, verzeichnen aber geringere Einnahmen.

Im Umkehrschluss können sich viele Unternehmen aktuell nur dadurch helfen, dass sie massiv bei den Kosten einsparen: So müssen Mitarbeiter entlassen und die Herstellungsprozesse preisgünstiger absolviert werden. Dass darunter oft auch die Qualität der produzierten Güter leidet, interessiert die Käufer jedoch nicht. Für sie geht es vielmehr darum, zunächst den eigenen Bedarf zu decken. Es scheint zweitrangig, ob dieser den Ansprüchen genügt, denn Qualität wird meistens vorausgesetzt, ohne dass diese ausreichend geprüft und beurteilt werden kann. Doch auch damit wird eine Kettenreaktion ausgelöst, da minderwertige Güter oftmals umgetauscht oder repariert werden müssen, was abermals eine Vergeudung von Geld und Zeit bedeutet. Für das Management vieler Betriebe wächst somit die Anforderung, ein hohes Maß an Qualität zu erreichen und zu halten, gleichzeitig aber eine Preisstruktur aufzubauen, die für die Käufer noch immer lukrativ ist.

Reparaturen und neue Software

Viele Betriebe tendieren dazu, Maschinen zu verschrotten, die auf die 20 Jahre zu gehen. Sie sind der Meinung, dass sich die Reparatur der Spindeln nicht mehr lohnt – das ist allerdings ein Trugschluss. Kern hat in seinem täglichen Arbeitsleben regelmäßige Spindeln zur Reparatur, die dieses Alter erreicht oder überschritten haben. „Erst vor wenigen Tagen haben wir eine Spindel mit dem Baujahr 2003 repariert, die zuletzt vor acht Jahren bei uns in der Reparatur war. So konnte sie mehr als die doppelte Standzeit erreicht werden, die üblich wäre“, erklärt Michael Kern. Dabei produzieren die Maschine nach wie exzellente Resultate. So sieht man, es ist nicht erforderlich, die Maschine oder gar die Spindel auszutauschen. Denn so können der Geldbeutel und auch die Nachhaltigkeit geschont werden.

„Gerade im Bereich der Spindelreparaturen konnte ich beobachten, dass immer mehr Betriebe ihre Entscheidungen rein auf Kostenebene treffen und weniger auf Basis der Qualität“, erklärt Markus Kern. Als Herzstück der Maschine sei die Spindel die falsche Stelle, um Geld zu sparen. Da sie die Teile produziert, sei sie schließlich für den Umsatz verantwortlich. Stimme allerdings die Qualität der produzierten Güter und Teile nicht, gebe es zum einen mehr Ausschussware, die zu erhöhten Kosten führt. Aus diesem Grund müsse ein besonderes Augenmerk auf die Qualität der Spindel geworfen werden, denn damit steht und fällt der gesamte Erfolg des Unternehmens. „So sollten Betriebe, die Ersatzspindeln haben oder sechs bis acht Tage auf eine Reparatur der Spindel warten können, auch eine Spindelreparatur in Anspruch zu nehmen. Denn im Vergleich zu einer Tauschspindel ist die Qualität höher, ebenso wie die Laufzeit“, erklärt Kern.

Auch im Bereich der CAM-/CAD-Software für die Maschinen selbst hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. So können diese schneller programmiert und bedient werden. Für die Anwender gelingt es unter solchen Bedingungen recht einfach, bestimmte Produkte herzustellen. Der Aufwand an Kosten und Zeit sinkt spürbar, die produzierten Güter können gleichzeitig aber eine vergleichsweise hohe Qualität erreichen – zwei wichtige Voraussetzungen für die Unternehmen, um sich auch künftig gegenüber der weltweiten Konkurrenz zu behaupten.

Die veränderte Preisstruktur

Zum Wandel innerhalb der Industrie gehört es indes auch, dass sich die Preisgestaltung verändert hat. War es früher üblich, die Angebote für die Käufer über lange Zeit hinweg zu kalkulieren und alle Faktoren einzubeziehen, so wünschen sich die Abnehmer nun vermehrt Festpreise. Für die Betriebe bestehen darin aber Risiken: So können sie sich verrechnen und den eigenen Gewinn schmälern. Möchten sie diese Gefahr vermeiden, müssen umfangreiche Analysen der Produktionsprozesse durchgeführt werden, um die realen Kosten zu ermitteln. Eine Aufgabe, die mittlerweile von Computerprogrammen übernommen wird. Sie wiederum erlauben nicht alleine die Ermittlung fairer Preise. Durch die Überwachung aller Teilbereiche kann vielmehr das gesamte Herstellungsverfahren analysiert und verbessert werden. Auch das gehört zur Nachhaltigkeit für die Unternehmen.

Die Politik muss mithelfen

Im Zuge der gewünschten Nachhaltigkeit stehen viele Betriebe also vor gravierenden Veränderungen. Nicht jedem Unternehmer ist bewusst, wie er diese Herausforderungen meistern soll. Doch die Industrie sollte dabei nicht alleine gelassen werden. Die Forderung nach mehr Klimaschutz ist lobenswert – sie darf aber nicht zulasten des Mittelstands gehen. Daneben gilt es, Material-Importe zu vereinfachen. Ebenso ist zu schauen, wie sich die steigenden Produktionskosten künftig wieder für die Unternehmen lohnen können. Denn auch die Politik sollte ein Interesse daran haben, dass die deutschen Firmen auf absehbare Zeit nicht den Anschluss an die internationale Konkurrenz verlieren. Das gelingt aber nur, wenn den hohen Anforderungen an die Nachhaltigkeit auch die Lösungen zum Erreichen dieser Ziele an die Seite gestellt werden.

Aktuell kann der Autor allerdings auch beobachten, dass viele Unternehmen die staatlichen Kredite nutzen, um ihre aktuellen Verluste auszugleichen und Löcher zu stopfen, anstatt sie zumindest teilweise in die Zukunft zu investieren. Diese Entscheidung kann sich jedoch schnell rächen. Denn spätestens, wenn die aktuellen Krisen vorbei sind, wird das Geschäft in hoher Geschwindigkeit wieder anlaufen. Um diesen zunehmenden Bedarf decken zu können, benötigen die Unternehmen ausreichend Liquidität. Vorrangig, um ihre Lagerbestände aufzufüllen. Da sie ihre finanziellen Mittel allerdings jetzt bereits ausgeben, werden sie in der Zukunft nicht für volle Bestände sorgen können. „Daraus resultieren höhere Durchlaufzeiten, stockende Lieferungen und letztendlich zu wenig Cashflow, den das Unternehmen erwirtschaften wird. Daran sollte bereits jetzt gedacht werden“, führt der Experte aus. m

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