Premium gegen Eco: Zylinderrollenlager auf dem Prüfstand

Geht auch eine Nummer kleiner?

Lässt sich beim Einsatz eines Wälzlagers Geld sparen, ohne die Zuverlässigkeit der Anlage zu beeinflussen? „Die Ausgangslage war ein Anwendungsfall, bei dem der Kunde anstelle eines Premium-Zylinderrollenlagers ein Produkt der Eco-Leistungsklasse nutzen wollte“, schildert Klaus Findling, Geschäftsführer von Findling Wälzlager. „Der Wechsel würde zu erheblichen Preiseinsparungen führen, gleichwohl wollte der Kunde keine Kompromisse bei der Lebensdauer seiner Aggregate eingehen.“

Grundlage der Entscheidung waren theoretische Lebensdauerberechnungen nach der ABEG-Methode durch Findling Wälzlager. Diese ermöglichen eine transparente und berechenbare Entscheidungsgrundlage zur Vermeidung von Über- und Unterdimensionierung von Wälzlagern und identifiziert so weniger kritische Lagerstellen. Ein Wechsel der Leistungsklasse kann so Einsparpotenziale von 25-30% realisieren.

Theoretische Werte praktisch überprüfen

Der Kunde wünschte sich zur praktischen Überprüfung der theoretischen Werte nach ABEG einen verkürzten Lebensdauertest sowie praktische Feldversuche. Das besondere Interesse galt dabei folgenden technischen Parametern: Form- und Lagetoleranzen, Laufbahn- und Rollengeometrie sowie Materialreinheit.

Standardmäßig wird die Radialbelastung der Lager in einem Lebensdauertest auf 1/3 der dynamischen Tragzahl festgelegt. Im vorliegenden Test wurde die dynamische Tragzahl des bestehenden Premium-Lagers (232kN) herangezogen. Dadurch ergibt sich eine Radialbelastung von 77,3kN. Die Drehzahl wurde auf 3.000U/min festgelegt. Rein rechnerisch ergibt sich daraus eine nominelle Lebensdauer von L10h = 216,3h. Die nominelle Lebensdauer L10h hat sich viele Jahre als zuverlässiges Kriterium für die Auslegung von Wälzlagern erwiesen. In der Praxis zeigte sich, dass bei besonders günstigen Verhältnissen die errechnete nominelle Lebensdauer weit überschritten werden konnte.

Das Ziel des Tests war es aus diesem Grund, das Dreifache dieser Dauer, also 3xL10h = 648,9h zu erreichen. Wenn dieses Ziel ohne Ausfall erreicht würde, sollte der Test verlängert werden, bis ein Lager ausfällt, oder ein Maximum von 4xL10h = 865h erreicht wird. Eine Verschleißanalyse im Anschluss sollte zusätzlich Aufschluss über den Stand der Materialermüdung, sonstige Schadensbilder und die zu erwartende Lebensdauer geben.

Technische Unterschiede und Materialreinheit

Doch welche Ergebnisse brachten die Tests nun konkret? Die Tabelle zeigt, dass die beiden zu vergleichenden Lager Abweichungen in der Rundheit, Welligkeit und Rauheit der Oberfläche aufweisen. „Das ist ein zu erwartender Unterschied, der auf die günstigeren Herstellungskosten der Eco-Lager zurückzuführen ist“, erklärt Janek Herzog, Anwendungsingenieur bei Findling. „Das erklärt im Übrigen auch das unterschiedliche Geräuschverhalten der Lager.“ In der Abbildung 3 und 4 ist eine leichte Erhöhung der Schwingbeschleunigung bzw. der Vibration und des Reibmoments bei den ABEG-Eco Lagern erkennbar. Diese Abweichungen kommen jedoch erst bei höheren Drehzahlen zum Tragen. Der Test wurde bei 3000 1/min durchgeführt, die reale Betriebsdrehzahl liegt nur bei ungefähr bei der Hälfte. Somit sind diese Merkmale im realen Betrieb noch unkritischer.

Kaum Unterschiede ergaben sich hingegen bei der Untersuchung der Materialgüte: Materialreinheit, Gefügestruktur, Menge und Größe nichtmetallischer Einschlüsse, Karbidverteilung und Härte lagen bei beiden Wälzlagern auf einem vergleichbaren und hohen Niveau. „Die Materialreinheit ist ein wichtiger Parameter für die Lebensdauer eines Wälzlagers“, so Janek Herzog. „Materialfehler, Fremdpartikel, nichtmetallische Einschlüsse wie Oxid- und Sulfidanteile sowie eine inhomogene Karbidverteilung begünstigen die natürliche Materialermüdung des Stahls bei der hochdynamischen Belastungssituation im Betrieb.“

Wälzkörper und Kontaktgeometrie

Die Anzahl und Größe der Rollen sind sowohl beim getesteten Premium-Produkt als auch beim Eco-Produkt identisch. Unterschiede zeigten sich jedoch bei der Profilierung der Wälzkörper. Zylinder- oder Nadelrollen weisen einen Linienkontakt zur Laufbahn auf. Dadurch entsteht bei Belastung im Betrieb eine Lastverteilung über die gesamte Rollenlänge. Kleinste Schiefstellungen einer zylindrischen Rolle konzentrieren diese Last auf deren Kante, wodurch hohe, schädliche Kantenspannungen entstehen. Um diese Kontaktspannungen zu vermeiden, werden Zylinder- und Nadelrollen für gewöhnlich mit einem balligen oder logarithmischen Rollenprofil hergestellt. Höhe und Form der Profilierung sind herstellerabhängig und werden auf Basis des verfügbaren Know-hows für jeden Lagertyp festgelegt. Das Premium-Produkt hatte ein sehr gut ausgeprägtes logarithmisches und das Eco-Lager ein für diese Leistungsklasse und dieses Preisniveau typisches balliges Profil. Interessant ist daher, ob diese Eigenschaft einen wesentlichen Unterschied im Lebensdauertest hervorruft.

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