Dreidimensional Fertigungsprozesse kombinieren

Industrieroboter in der additiven Fertigung

Bild: Hochschule Landshut

Der Einsatz von Industrierobotern in der additiven Fertigung erfährt neuerdings eine steigende Anwendung. Insbesondere wegen des voluminösen Bauraums und der großen Flexibilität sind sie für die Herstellung von großvolumigen, individualisierten Bauteilen geeignet. Durch die vielachsigen Bewegungsmöglichkeiten des Druckkopfes in Verbindung mit einer Schwenkkippeinheit der Bauplattform, kann auf Stützstrukturen verzichtet werden. Das stellt einen großen wirtschaftlichen Vorteil dar.

Bild: Hans Weber Maschinenfabrik GmbH

Kosten sparen

Die Vorteile herkömmlicher 3D-Drucksysteme liegen da, wo es sich um einfache, kostengünstige Maschinen mit drei, in der Regel kartesisch angeordneten Linearachsen handelt. Mit ihnen werden die Modelle unter Verwendung zum Teil umfangreicher Stützstrukturen schichtweise aufgebaut. Stützstrukturen aber kosten nicht nur Material, sondern auch Zeit beim Aufbau, beim Entfernen und in der Nachbearbeitung. Ohne sie lassen sich also Zeit und Material – und damit Kosten sparen.

Neue Möglichkeiten

Der Einsatz von Industrierobotern zur Bewegung des Druckkopfs bietet hier ganz neue Möglichkeiten. In der Regel werden 6- bis 8-achsige Systeme (6-achs Roboterkinematik plus Schwenkkipptisch für die Bauplattform) eingesetzt. Aber auch 12- und 14-achsige Anlagen mit zwei Robotern, bei der einer den Druckkopf und der andere die Bauplattform bewegt, werden inzwischen verwendet. Dadurch wird der Druck von räumlichen Freiformstrukturen möglich, die nur wenige oder gar keine Stützstrukturen mehr benötigen. Oder in Verbindung mit Endlosfasern kann – eine optimale Faserverlegung in Richtung der Kraftflüsse vorausgesetzt – die Stabilität der Bauteile deutlich gesteigert werden.

Bild: Datentechnik Reitz, CAD/CAM-Systeme

Mehrwert durch 3D-Druck

Welchen zusätzlichen Mehrwert bringt der 3D-Druck mittels Robotern? Wie bereits erwähnt, wird die Herstellung von Großraumfreiformteilen ermöglicht, da die große Reichweite der Roboterkinematik die Ausnutzung großer Bauräume gewährleistet. Bei der BMW Group im Landshuter Leichtbau- und Technologiezentrum (LuTZ) werden unter anderem großformatige Betriebsmittel für die Fertigungsunterstützung und Kleinserien aus Polyamid mit kurzfaser-verstärktem Carbongranulat hergestellt.

Neue technische Lösungen

Um großvolumige Bauteile in einer adäquaten Zeit fertigen zu können, sind auch hier technische Lösungen erforderlich, da ein Arbeiten mit einem Filament von der Spule (FFF-Verfahren) in Bezug auf die Druckgeschwindigkeiten begrenzt und kostenintensiv ist. Hier werden maximale Extruder-Geschwindigkeiten zwischen 150 und 200mm/sec erreicht. Das entspricht einem Druckvolumen bei Polyamid 6 mit einem Filamentdurchmesser von 2,75mm von 3,7 bis 4,9 kg/h.

Robotische Direkt-Extrusion

Durch den Einsatz der robotischen Direkt-Extrusion, wie sie die Hans Weber Maschinenfabrik anbietet, ist es heute schon möglich, einen Ausstoß von bis zu 20kg/h zu realisieren. Dabei ist ein Einschnecken-Extruder entweder direkt am Industrieroboter befestigt oder die aufgeschmolzene Masse wird mit einem Schlauch zum Endeffektor gefördert, um die bewegten Massen gering zu halten. Dadurch ist es nicht nur möglich, sehr viel größere Materialmengen zu fördern. Auch im Spritzguss bekannte und zertifizierte Werkstoffe werden eingesetzt, die auch kostenmäßig (ca. Faktor 5) günstiger sind als die Filamentform.

Mit Beton drucken

In letzter Zeit sind insbesondere in der Architektur immer mehr Beispiele des Industrierobotereinsatzes zu finden. Was sicher daran liegt, dass diese eine große Flexibilität, in Verbindung mit einem großen Arbeitsraum benötigen. Bekannt wurde hier die Firma Apis-Corporation aus Florida, die mit einem aus Beton gedruckten Tinyhouse begonnen hat und inzwischen komplette zweistöckige Häuser druckt. In der europäischen Forschung hat sich die EHT-Zürich hervorgetan: Sie baut inzwischen sogar sich selbst tragende Betonstrukturen, die mit weniger Material und ohne Armierungsstahl oder Mörtel auskommen.

Bild: BMW-Group Werk Landshut

Fast 100 Prozent Materialnutzung

Großes Potential hat auch der Austausch der Fertigung von großvolumigen Stahlgussteilen durch das Wire Arc Additive Manufacturing (WAAM). Es eignet sich für die additive Fertigung mit Robotern, da es ähnlich wie der FFF-Prozess anstatt mit einem Kunststoff-Filament mit einem Metalldraht ausgeführt wird. Beim WAAM wird das Bauteil durch einen Metalldraht mittels Lichtbogen schichtweise aufgebaut. Das Einsparpotential gegenüber einer Stahlgussfertigung ergibt sich insbesondere bei geringen Stückzahlen (bis ca. 5) aufgrund der Verringerung der Arbeitsschritte und der dadurch gewonnen Zeit. Eine annähernd hundertprozentige Materialausnutzung wirkt sich zudem positiv auf die Produktionskosten aus.

Herausforderungen

Herausforderungen gehören jedoch zum Einsatz von Industrierobotern auch dazu. Es müssen Algorithmen für den Slicingprozess entwickelt werden, die für ein entsprechendes Modell gekrümmte, mehrachsige Werkzeugbahnen generieren. Also weg von den schichtweisen und hin zu sogenannten non-planaren Slicern, die die Düse immer im richtigen Abstand und senkrecht zur Bauteiloberfläche ausrichten – zur Vermeidung des Treppenstufeneffektes. So realisiert es die Firma Datentechnik Reitz mit der Software SprutCAM-X Robot: sie ermöglicht auch komplexe Geometrien.

Bild: BMW-Group Werk Landshut

Universelle Programmierumgebung

Dies soll möglichst automatisiert direkt aus dem CAD-System heraus erfolgen, wie es heute bei der Steuerung von konventionellen 3D-Druckern bereits Standard ist. Dabei darf es zu keinen Singularitäten der Roboterkinematik oder Kollisionen mit bereits aufgebauten Strukturen kommen. Gefordert ist eine universelle Programmierumgebung für Industrieroboter mit einer angepassten Bahnplanung, gängigen Schnittstellen für den Import und Export der Daten, eine Anpassung der Bahnführung, mit einer adaptiven Beschleunigung und Geschwindigkeit, sowie eines kontrollierten Anstellwinkels bei einer Endloskontur mit stark variierenden Strangbreiten.

Fazit

Ziel und Ausblick in der additiven Fertigung mit Industrierobotern ist, additive und subtraktive Fertigungsprozesse zu kombinieren. Durch zusätzliche Nutzung von automatischen Greiferwechselsystemen werden zudem Montagevorgänge integriert, um ein vollautomatisches, hybrides Fertigungssystem zu installieren.


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