Datengetriebene Produktionsnetzwerke und wandlungsfähige Fertigungszellen

Mit kreislauffähigen Betriebsmitteln und Digitalisierung ans Ziel

Bild: Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen

In der Automobilindustrie ist die Transformation vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität ein wesentlicher Hebel zum Erreichen der Treibhausgasneutralität bis 2045. Das allein reicht aber nicht aus: Vielmehr muss der gesamte Produktionslebenszyklus betrachtet und der Fokus auf nachhaltige Produktion gelegt werden. Innovationsdruck, ausgelöst durch steigende Kundenanforderungen, bei möglichst kürzer werdenden Entwicklungszyklen erschwert diesen Fokus. Die Einführung neuer Modelle und Derivate ist oft mit verschwenderischen Prototypen und ressourcenschweren Umbauten in der Vorserienphase verbunden. Grund ist die kurzfristige, rein monetäre Bewertung entstehender Produktionssysteme. Sie sind häufig hoch spezialisiert auf die herzustellenden Teile ausgelegt und nicht flexibel, geschweige denn wandlungsfähig. Daher werden bei neuen Derivaten nicht selten Anlagen und Betriebsmittel oder gar ganze Produktionslinien verschrottet und durch Neue ersetzt. Eine enorme Ressourcenverschwendung. Insbesondere die Einführung kreislauffähiger Betriebsmittel stellt hier ein großes Potential dar, was effektiven Einsatz von Ressourcen im Vergleich zur klassischen Linearwirtschaft betrifft. Auf Basis des 9-R-Frameworks sollen Betriebsmittel so gestaltet werden, dass sie möglichst adaptiv, wandlungsfähig und am Ende der Nutzung einer der neun Strategien (Reuse, Repair, Remanufacture, …) zum zirkulären Werterhalt zugeordnet werden können.

Betriebsmittel mieten

Um das zu realisieren, ist die Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells nötig. Industrielle Subskriptionsmodelle bieten hier ein besonderes Potenzial, was bedarfsgerechte Ressourcenbeanspruchung zwischen Hersteller und Nutzer angeht. Der Ansatz ‚Mieten statt Kaufen‘ ermöglicht, dass Unternehmen für Betriebsmittel nur so lange zahlen müssen, wie sie diese auch aktiv in ihrer Produktion nutzen. Wird ein Betriebsmittel nicht mehr benötigt, geht es zurück an den Hersteller. Der muss über die bisherige Nutzungsphase des Betriebsmittels in Kenntnis sein und eine entsprechende R-Strategie ableiten, sodass mit möglichst geringem Aufwand und Anpassungen ein Betriebsmittel möglichst häufig weitervermietet werden kann. So kann das Betriebsmittel auch im Sinne der Kreislaufwirtschaft optimal über den gesamten Lebenszyklus genutzt werden. Dieses Konzept wird ‚Equipment-as-a-Service‘ genannt.

‚Equipment-as-a-Service‘

Aus diesem Geschäftsmodell leiten sich Fragestellungen und Herausforderungen ab: Einige potenzielle Hindernisse von ‚Equipment-as-a-Service‘ sind nämlich nicht rein technisch, sondern auch organisatorisch begründet. Strenge firmeninterne Standards stellen so ein erhöhtes Hindernis dar, weil sie nicht unternehmensübergreifend gelten und demnach nicht die Standards eines anderen Nutzers erfüllen. Derzeit ist also die Wiederverwendung trotz gleicher Funktion nicht möglich. Inwiefern Nutzer bereit sind, sich von eigenen Standards zu lösen, um Betriebsmittelaufwände zu reduzieren und Nachhaltigkeit zu erhöhen, steht noch aus.

Modulare und kreislauffähige Betriebsmittel

Eine wesentliche Anforderung an die Betriebsmittel ist die Wiederverwendung im Rahmen von ‚Equipment-as-a-Service‘. Deshalb müssen Betriebsmittel teilweise von Grund auf neu gestaltet und so aufgebaut werden, dass sie für unterschiedliche Anwendungsfälle einfach adaptierbar sind. Außerdem liegt der Fokus auf der Kreislauffähigkeit sowie der Demontierbarkeit. Hier eignet sich eine modulare Bauweise, die bisher durch den entsprechend hohen Engineering-Aufwand und demzufolge aus Kostengründen vermieden wurde. Da die Betriebsmittel aber im Besitz des Herstellers bleiben, lohnt sich der initiale Aufwand trotzdem. Außerdem bietet die Modularisierung den Vorteil, dass sich der Konstruktionsprozess teilweise automatisieren lässt – was sich positiv auf die Lieferzeit und Zufriedenheit auswirkt. Durch Rückführung der Daten ins Engineering kann eine Verbesserung der Betriebsmittel selbst vorgenommen werden.

Digitale Datenaufnahme

Ein entscheidender Enabler für die erfolgreichen Umsetzung des Geschäftsmodells ist die digitale Durchgängigkeit. Zwischen den Geschäftspartnern, dem Nutzer und dem Betriebsmittelhersteller des ‚Equipment-as-a-Service‘-Modells müssen geeignete Datenschnittstellen geschaffen werden, um die effektive und effiziente Umsetzung zu garantieren. Durch den Einsatz von digitalen Zwillingen für die Fertigungszelle, in der die Betriebsmittel genutzt werden, und den Betriebsmitteln selbst kann die gesamte Entwicklung und die Inbetriebnahme virtualisiert werden. Der Aufwand für die reale Integration wird so minimiert. Zusätzlich soll eine Methodik zur Bewertung der Nachhaltigkeit der Betriebsmittel integriert werden: Aus ihr soll hervorgehen, wie sich die Kreislauffähigkeit auf Kennzahlen, etwa den Product Carbon Footprint, auswirkt. Die Berechnung basiert auf den Daten, die während der Lebenszeit des Betriebsmittels gesammelt und im digitalen Zwilling des Betriebsmittels gespeichert werden.

Verbundprojekt AutoPilot

‚Equipment-as-a-Service‘ soll im Rahmen des vom BMBF geförderten Verbundprojekts AutoPilot (FKZ: 02J21E000) und unter Leitung des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen University erarbeitet und erprobt werden. Im Laufe des Projekts werden zwei wandlungsfähige Fertigungszellen aufgebaut, die einen realen Schweiß- und Montageprozess eines Mobilitäts-Startups und Automobilzulieferers abbilden. Anhand der Demonstratoren sollen kreislauffähige Betriebsmittel, eine digitale Plattform und das Geschäftsmodell ‚Equipment-as-a-Service‘ entwickelt und evaluiert werden.


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