Mobiler 3D-Scanner für Reverse Engineering und mehr

Mit KI die Form erfassen

Bild: TeDo Verlag GmbH

Zugegeben, es macht Spaß, mit dem Leo Dinge zu scannen. Allerdings, das Gerät ist größer, als ich es mir vorgestellt hatte. Schließlich hatte ich bislang nur die 3D-Scan-Funktion der aktuellen Smartphones genutzt. Der Leo hat zwar einen ergonomischen Pistolengriff, aber ist doch ein zwar elegant gestaltetes, trotzdem etwas klobiges Gerät. Mit 2,6kg Gewicht ist es auch nicht unbedingt leicht – nach einer konzentrierten Scan-Session weiß man, was man gemacht hat.

Auf der anderen Seite: Betrachtet man die Leistung, dann ist der Scanner doch wieder kompakt. Im 2022er Artec Leo ist der neue Jetson-TX2-Prozessor von Nvidia integriert. Er ist mehr als doppelt so leistungsstark wie sein Vorgänger und verbraucht dabei weniger als 7,5W Strom. Dank Nvidias Denver-2-Architektur hat er einen optimierten Mehrkernprozessor mit 2GHz Taktfrequenz bei jedem der insgesamt sechs Kerne. Das verspricht Rechenleistung satt, liefert allerdings auch ein vernehmbares Lüftergeräusch während des Betriebs. Das ist aber unter Umständen auch auf den großen Laser-Projektor zurückzuführen, der unter Stroboskop-Licht ein Muster in den Raum projiziert, das dann von der Kamera in Echtzeit erkannt und in ein 3D-Bild umgewandelt wird. Das eine Auge ist der Projektor, das andere enthält die Kameras. Plural, denn hinter der einen Linse sind zwei Kameras vereint: die 3D-Kamera und die Texturen-Kamera. Geometrie und Textur werden simultan erfasst.

Bild: TeDo Verlag GmbH

Ergonomie ist Trumpf

Der klappbare LED-Bildschirm hilft beim Anvisieren und ein leicht erkennbares Farbschema unterstützt bei der optimalen Aufnahmeentfernung: rot zu nah, blau zu weit weg, grün passt – damit kann ich arbeiten. Die Aufnahmeentfernung liegt zwischen 35 und 180cm, es lassen sich kompakte Objekte ebenso scannen wie Autos oder ganze Räume. Das Gerät soll sogar bei Polizeieinheiten zur präzisen Aufnahme von Tatorten verwendet werden. Schwer tut sich die Sensorik mit glatten Oberflächen ohne Struktur. Hier findet die KI keine Anhaltspunkte, die von Hand zwangsweise wackelig aufgenommenen Scans sinnvoll zusammenzuführen. Auch transparente Objekte können nicht gescannt werden. Wer ein Auto erfassen will, muss die Scheiben matt sprühen. Wie man den Scanner während der Aufnahme hält ist wiederum egal, man kann ihn kippen oder sogar über Kopf benutzen – praktisch, wenn man von unten an die Objekte will.

Technisch wurden alle wichtigen Parameter der KI-Pipeline – GPU, Energieeffizienz, Deep-Learning-Bibliotheken und Speicherbandbreite – optimiert, aber das begrenzende Element sitzt ja oft vor dem Bildschirm. Usability ist mithin ähnlich wichtig wie Rechenpower. Die Benutzeroberfläche des 3D-Scanners ist derzeit in sechs verschiedenen Sprachen verfügbar, in Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Japanisch sowie Hochchinesisch. Ich habe nicht viele Sprachen getestet, aber von Englisch auf Deutsch umgestellt, und das klappte problemlos und hat die Bedienung tatsächlich deutlich vereinfacht. Generell ist die Nutzeroberfläche angenehm zu bedienen, der Bildschrim hat eine Touch-Fähigkeit und intuitive Nutzerführung. Wer ein Smartphone bedienen kann, kommt auch mit dem Leo zurecht.

Bild: Artec 3D scanners

Schulung sinnvoll

Wobei, wie bei jedem Profigerät gilt: Wenn man alle Features nutzen will, sollte man sich schulen lassen. Artec bietet das an, und ich durfte freundlicherweise an einem mehrstündigen Training teilnehmen. Manche versteckten Features sowie die Nachbearbeitung in der eigenen Software-Suite erschließen sich mit etwas Hilfe leichter. Vor allem wird man in der Schulung auch auf hilfreiche Features hingewiesen. Ich hatte mich anfangs damit geplagt, den mitgescannten Hintergrund in der Software händisch zu entfernen. Der Hinweis auf das ‚Hintergrund-Entfernen‘-Feature schon während des Scans hat die Arbeit erheblich erleichtert.

Artec Leo 2022 wird mit garantierter Präzision geliefert. Bis zu 0,1mm genau scannt der Artec Leo, bei Objektgrößen ab ca. 20cm bis zu etlichen Metern. Ermöglicht wird diese hohe Genauigkeit durch ein neues Kalibrierungszertifikat: Zur Überprüfung wird zuvor jeder Scanner mit hochpräzisen Referenzobjekten an verschiedenen Positionen innerhalb des Arbeitsvolumens kalibriert, wobei verschiedene Teile des Sensors am Scanner sowie unterschiedliche Abstände verwendet werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass jeder Scanner eine gleichbleibende Genauigkeit bietet. Außerdem wurde für die neue Version von Artec Leo ein Kalibrierungsset eingeführt. Damit können Nutzer eigenständig die Genauigkeit des Scanners überprüfen und seine Parameter anpassen.

Darüber hinaus ermöglicht eine Funktion für automatische Temperaturkontrolle es dem Scanner, seine Komponenten auf optimaler Betriebstemperatur zu halten und dadurch für bestmögliche Voraussetzungen für den Betrieb zu sorgen. Ein kleines Icon im Display zeigt an, wann alle Messkomponeten auf der richtigen Temperatur sind. Es kann nach dem Kaltstart etliche Minuten dauern, bis das Gerät in diesem Präzisionsmodus betriebsbereit ist, aber dadurch wird sichergestellt, dass das Messgerät nicht durch interne oder externe Temperaturänderungen beeinträchtigt wird, die andernfalls Auswirkungen auf die Messwerte haben könnten. So haben Anwender die Gewissheit, dass der Scanner mit seiner maximal möglichen Präzision arbeitet.

Lebensechte Farberfassung

Aufbauend auf den fortschrittlichen Farberfassungsfunktionen des Gerätes verfügt der 3D-Scanner über Algorithmen zur automatischen Anpassung des Helligkeitsgrades beim Scannen. Dies ermöglicht lebensechte, gleichmäßig beleuchtete 3D-Modelle ohne manuelle Korrekturen. Allerdings sollte man trotzdem auf eine gleichmäßige Beleuchtung ohne große Reflexionen achten, zu starke Lichtspots, etwa durch direkte Sonneneinstrahlung, können das Ergebnis verfälschen. Wie auch immer, die von mir probehalber gescannte Blumenvase (oder ist es eine Ölflasche?) wurde exzellent gescannt, inklusive der kompletten Textur.

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