Wie Servospindeln Hydraulik ersetzen können

Ohne Öl bewegen

Kombiniert man eine Planeten-Wälz-Gewindespindel mit der Funktion eines Linearantriebs, erhält man eine Servospindel, die dort eingesetzt werden kann, wo bisher vorwiegend hydraulische Antriebe zur Anwendung kamen. Mit dem Baukasten von Ortlieb Präzisionssysteme sind Kräfte bis 600kN erreichbar.
 Der technisch bedingte Schlupf in der Planeten-Wälz-Gewindespindel sorgt für mehr Robustheit des gesamten Systems, da sich die Kontaktpunkte ständig verändern. Ein punktueller Verschleiß an Hauptbelastungspunkten entfällt. Das verhindert ein Einlaufen der Teile selbst bei kurzen Hüben und erhöht die Standzeit.
Der technisch bedingte Schlupf in der Planeten-Wälz-Gewindespindel sorgt für mehr Robustheit des gesamten Systems, da sich die Kontaktpunkte ständig verändern. Ein punktueller Verschleiß an Hauptbelastungspunkten entfällt. Das verhindert ein Einlaufen der Teile selbst bei kurzen Hüben und erhöht die Standzeit.Bild: Ortlieb Präzisionssysteme GmbH & Co. KG

„Wir wollen das Prototypenrisiko senken und nicht auf den Kunden verlagern. Deshalb nutzen wir für kundenspezifischen Anpassungen unser Baukastenprinzip“, erklärt Dirk Laubengeiger, Geschäftsführer von Ortlieb Präzisionssysteme. Er spricht von der Asca-Servospindel, die dort eingesetzt werden kann, wo bisher vorwiegend hydraulische Antriebe zur Anwendung kamen. Sie basiert auf der Technologie der Planeten-Wälz-Gewindespindel (PWG) kombiniert mit der Funktion eines Linearantriebs. Der schwäbische Maschinenbauer hat seine Baureihen auf Nenngrößen von 5 bis zu 600kN erweitert und das in flexiblen Abstufungen, genau nach Anforderung der Kunden. Diese Baureihenergänzungen wurden aus Kundenanfragen abgeleitet, die dank Servospindel-Technologie und Unternehmens- sowie Prozessorganisation schnell und ohne größere Entwicklungskosten umgesetzt werden konnten. Basis dafür ist der erwähnte Baukasten mit zahlreichen vorhandenen Baureihen in der Antriebstechnik.

 Im Vergleich zu hydraulischen Antriebssystemen sind Elektrozylinder sehr leise und umweltfreundlich, da sie ohne Öl arbeiten.
Im Vergleich zu hydraulischen Antriebssystemen sind Elektrozylinder sehr leise und umweltfreundlich, da sie ohne Öl arbeiten. Bild: Ortlieb Präzisionssysteme GmbH & Co. KG

Komplette Antriebslösungen

Die Asca-Servospindeln sind die technologische Grundlage der Serac-Elektrozylinder von Ortlieb. Diese Technologie erreicht eine hohe Dynamik. Im Vergleich zu hydraulischen Antriebssystemen sind diese elektrischen Antriebssysteme sehr leise und umweltfreundlich, da sie ohne Öl arbeiten. Zudem ist es einfach, die Serac-Elektrozylinder in bestehende Systeme zu integrieren. Sie reduzieren den Wartungsaufwand, bieten eine lange Lebensdauer und steigern die Produktivität. Auch kleine Steigungen ab 1mm sind möglich – dadurch können mit kleinen, kostengünstigen Motoren bereits hohe Kräfte erreicht werden. Da die Untersetzung eines Planetengetriebes eine integrierte Grundfunktion ist, benötigt der Motor kein zusätzliches Getriebe. Und der wohl größte Vorteil ist der im Vergleich zur Hydraulik bis zu 80 Prozent reduzierte Energiebedarf. Mit dem Baukastensystem lassen sich diese Antriebslösungen je nach Kundenanforderungen anpassen.

Die Produkte aus Zell unter Aichelberg im Großraum Stuttgart bieten also eine seriengefertigte Komplettlösung durch die Nutzung aller Technologievorteile der Servospindel. Ortlieb liefert diese in seinen Standardbaureihen in zehn Größen mit unterschiedlichen Steigungen ab 1 bis 38mm. Der technisch bedingte Schlupf der Planeten sorgt für mehr Robustheit des gesamten Systems, da sich die Kontaktpunkte ständig verändern. Ein punktueller Verschleiß an Hauptbelastungspunkten entfällt. Das verhindert ein Einlaufen der Teile selbst bei kurzen Hüben und erhöht die Standzeit. Über ein optional integriertes Wegmesssystem kann die Auswirkung des Schlupfes präzise kompensiert werden. Form und Befestigungsarten sind ebenfalls flexibel anpassbar. All dies ermöglicht ein ebenso gutes Kraft/Volumen-Verhältnis wie ein hydraulischer Antrieb. Zugleich sind die Antriebe aber kleiner und umweltfreundlicher. Die Technologievorteile dieser Elektrozylinder ermöglichen seriengefertigte Komplettlösungen für zahlreiche Anwendungen.

Flexibilität bei Auslegung und Bauraum

Die PWG-Technologie von Ortlieb, die ihren Ursprung vor knapp 30 Jahren in der Raumfahrttechnik hatte, erlaubt eine relativ einfache und pragmatische Auslegung. Die Anpassung an Kundenanforderungen durch jahrzehntelange Konstruktionserfahrung kann für die allermeisten Aufgaben sehr zeitnah und kostengünstig erfolgen. Das zeigt das Beispiel einer Kundenanfrage eines Maschinenherstellers für das Handling von Sondermedikamenten. Hier sind in der Produktion von Tabletten für seltene Krankheiten oft nur kleine Margen mit wenigen Tabletten notwendig. Dies ist in der üblichen Großproduktion mit automatisierten Fertigungslinien für die Konfektionierung in Blistern nicht rentabel. Der Kunde benötigte die Unterstützung bei der Konstruktion einer Tabletten-Presse, die nach Bedarf maßgeschneiderte Wirkstoffkombinationen in Tablettenform pressen kann. Die zunächst eingesetzte Motor-Schneckengetriebe-Kombination hatte Nachteile hinsichtlich Baugröße, Kraft und Standzeit.

Die Kundenanfrage kam im Oktober 2020. Mit einer PWG und durch konstruktive Modifikation eines vorhandenen Standard-Antriebs nahm sich Ortlieb dieser Probleme an und konnte letztlich alle Kundenanforderungen erfüllen. Durch die geometrische Anpassung einer bestehenden Baureihe, eine objektive Kostenschätzung, einen schnellen und unbürokratischen Lösungsansatz – schon innerhalb einer Woche – konnten Laubengeiger und sein Team den Kunden überzeugen. Ermöglicht wurde dies durch die zahlreichen flexiblen Anpassungsmöglichkeiten der Servospindel sowie umfangreiche Investitionen in die Optimierung einer qualitativ hochwertigen und schnellen Konstruktion. So erfolgte im November 2020 bereits die technische Umsetzung. Nach der anschließenden Modifikation in Zusammenarbeit mit dem Sondertablettenhersteller bestellte dieser im Februar 2021 den Antrieb. Die Experten aus Zell ermöglichen kurze, verlässliche Lieferzeiten, sodass innerhalb von 6-8 Wochen eine Montage vor Ort im April erfolgte. Von der Anfrage bis zur Auslieferung dauerte es dank eingespielter Unternehmensprozesse und der Technologiekompetenz des Lösungsanbieters für elektrische Linearantriebe, Werkstück- und Werkzeugspannungen also nur sechs Monate. Bei den vorhandenen Baureihen mit einer Nennkraft von 5 bis 400kN kann Ortlieb Lieferzeiten innerhalb von 6-12 Wochen sicherstellen. In der Entwicklung sind bereits Lösungen mit noch höheren Kräfte über 400kN.

www.ortlieb.net

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