Lebensmittelindustrie

Ganzheitliche Sicherheit

In der Lebensmittelindustrie ruht die Sicherheit von Maschinen und Anlagen auf zwei Pfeilern: Zum einen muss die Maschine selbst sicher sein, keine Bediener oder Reinigungskräfte gefährden, und zum anderen muss der Produktionsbetrieb und Herstellungsprozess sicher sein, so dass am Ende auch für den Konsumenten ungefährliche Produkte entstehen. Gerade Umbauten und Anpassungen an Maschinen bedeuten Risiken.
 Kommen neue Produkte auf den Markt, erfordert das oft nicht nur eine Anpassung der Rezeptur, sondern An- und Umbauten an Maschinen. Diese Umbauten von Funktionslinien gehören in der Lebensmittelindustrie zum normalen Lebenszyklus von Anlagen.
Kommen neue Produkte auf den Markt, erfordert das oft nicht nur eine Anpassung der Rezeptur, sondern An- und Umbauten an Maschinen. Diese Umbauten von Funktionslinien gehören in der Lebensmittelindustrie zum normalen Lebenszyklus von Anlagen. Bild: rgerhardt@sbb.rs

Das Hygienic Design bei Planung und Bau der Maschine ist eine zentrale Säule der Produktsicherheit in der Lebensmittelbranche. Die Grundlage des Hygienic Designs ist die Hygienerisikobeurteilung, die in der Regel Teil der Risikobeurteilung ist: Sie deckt Gefährdungen auf und erlaubt die Berechnung von Schadensausmaß, -häufigkeit und Eintrittswahrscheinlichkeit. Hersteller von Maschinen und Apparaten für die Lebensmittelproduktion und -verarbeitung, die Kontakt mit Nahrungsmittel haben und ein Hygiene-Risiko darstellen können, müssen die Hygiene-Risikobeurteilung bei der Planung und Bau oder bei späteren, wesentlichen Veränderungen einer Maschine durchführen.

Der Anhang I Nr. 2.1. der Maschinenrichtlinie legt fest, dass Maschinen, Bauteile und Komponenten so konstruiert sein müssen, dass ein Infektionsrisiko ausgeschlossen ist. Konkretisiert wird sie durch die C-Norm EN1672-2, Nahrungsmittelmaschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Teil 2: Anforderungen an Hygiene und Reinigbarkeit. Darüber hinaus definiert die EN14159 Sicherheit von Maschinen- Hygieneanforderungen an die Gestaltung von Maschinen, Hygieneanforderungen, die nicht von der EN1672-2 abgedeckt werden. Zudem werden die EHEDG-Leitlinien, European Hygienic Engineering and Design Group Leitlinien, in der Praxis genutzt. Sie konkretisieren die Leitlinien für einzelne Komponenten und Verfahren.

Der Betreiber bzw. Lebensmittelhersteller ist außerdem mit dem HACCP (hazard analysis and critical control points) verantwortlich. Diese Gefahrenanalyse und kritischen Kontrollpunkte bzw. Lenkungspunkte stellen ein zentrales Qualitätswerkzeug zur Vermeidung von Gefahren für Konsumenten im Zusammenhang mit dem Lebensmittel dar.

 Eine wesentliche Änderung erfordert vom Betreiber der Anlage eine neue Konformitätsbewertung gemäß der Maschinenrichtlinie samt der aktualisierten (Hygiene-) Risikobeurteilung.
Eine wesentliche Änderung erfordert vom Betreiber der Anlage eine neue Konformitätsbewertung gemäß der Maschinenrichtlinie samt der aktualisierten (Hygiene-) Risikobeurteilung.Bild: ©Studio Romantic/stock.adobe.com

Klar geregelte Verantwortlichkeiten

Abgesehen von den Hygiene-Risiken unterscheidet sich die Maschinensicherheit in der Lebensmittelindustrie in technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen nicht grundlegend von jener anderer Branchen.

Eine Herausforderung stellen aber Prozessanlagen dar: Maschinen unterschiedlicher Hersteller, die kombiniert werden und mit einer gemeinsamen Steuerung eine Einheit bilden. Hier ist das Zusammenspiel von Lieferanten, Kunden und Betreiber wichtig, um alle rechtlichen Anforderungen an die Sicherheit abzudecken. Bei der Neuanschaffung, Planung und Projektierung von Anlagen und bei ihrem Umbau, ist es deswegen zentral, die Verantwortlichkeiten zu regeln und Klarheit darüber zu haben, was beachtet werden muss. Wer wird der Hersteller und ist damit verantwortlich für Koordination des Gesamtprojekts? Der Betreiber? Oder wird ein Generalunternehmen damit beauftragt? Was passiert, wenn der Hersteller eine Komponente implementiert?

Gerade technischen Abteilungen, die oft Umbauten planen, fehlt manchmal der Überblick und das Knowhow. Hier kann externe Hilfe nützlich sein.

Neues Konformitätsverfahren

Eine weitere Hürde der Maschinensicherheit stellen in der Lebensmittelindustrie die Gesamtheiten dar: Werden Maschinen von verschiedenen Herstellern zu einer Prozessanlage kombiniert – auch unter Integration von Bestandsmaschinen – und damit zu einer neuen Gesamtheit, erfordert das ein neues Konformitätsbewertungsverfahren für die Gesamtanlage samt Risikobeurteilung, Schnittstellenbetrachtung und Gesamtbetriebsanleitung. Ist kein Lieferant als Generalunternehmer beauftragt, wird der Betreiber zum Hersteller – mit allen Pflichten und der Haftung im Schadensfall. Darüber sind sich Unternehmen oft nicht im Klaren.

Maschinen bilden dann eine neue Gesamtheit, wenn sie räumlich als Gesamtheit funktionieren, ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, sie ein gemeinsames Steuerungssystem besitzen bzw. ihre Steuerungen untereinander kommunizieren und ein sicherheitstechnischer Zusammenhang mit der jeweils angrenzenden Maschine besteht.

Deswegen ist es wichtig, dass sich Unternehmen schon während der Planung etwa einer Produktionsstraße mit dem Thema Sicherheit auseinandersetzen: Die sicherheitstechnische Auslegung muss im Lastenheft klar definiert und die Grenzen festgelegt werden und ebenso die Anforderungen im Umgang mit der Maschine, etwa an den Bedienplätzen. Spätere Umbauten und Anpassungen sind teuer, umständlich und nicht immer ohne Weiteres durchführbar.

Will der spätere Betreiber die Verantwortung nicht übernehmen oder mangelt es ihm an Personalkapazitäten, kann ein Hersteller zum Generalunternehmer werden, was mit entsprechenden Kosten verbunden ist.

Änderungen bei Umbauten

Kommen neue Produkte auf den Markt, erfordert das oft nicht nur eine Anpassung der Rezeptur, sondern An- und Umbauten an Maschinen. Diese Umbauten von Funktionslinien gehören in der Lebensmittelindustrie zum normalen Lebenszyklus von Anlagen.

Erweiterungen, Funktionsänderungen und Umbauten können zu neuen Gesamtheiten oder zu sogenannten wesentlichen Änderungen führen: Der Betreiber ist in der Pflicht, das zu prüfen. Liegt eine wesentliche Änderung vor, muss wie bei einer neuen Gesamtheit das Konformitätsbewertungsverfahren neu durchlaufen werden. Das ist der Fall bei einer neuen Gefährdung, neuen oder erhöhten Sicherheitsrisiken, wenn bestehende Schutzmaßnahmen nicht mehr ausreichen und das Risiko nicht mit einer einfachen Schutzeinrichtung eliminiert bzw. ausreichend gemindert werden kann. Es muss zudem geprüft werden, wie und ob sich der Umbau auf das für den Betrieb relevante HACCP-Konzept auswirkt.

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